Der Protagonist des Romans 10 Tage jetzt, Paul Müsig, flüchtet sich immer mehr in metaphysische Abgründe. Infolgedessen entstehen im Roman die folgenden drei Gedichte, die sein Verhältnis zur Zeitlichkeit thematisieren.
1. Vorher
Ich passe nicht dazu
Ich passe nicht dazu
Ich passe passe
passe nicht dazu
Ein kleiner Junge geht zur Schul
Frei ist nur noch ein einzger Stuhl
Hinten links am Fensterrand
Mit Blick raus auf den Wüstensand
Alleine in der letzten Reihe
Vor ihm melden sich gleich dreie
Der Junge schaut nur raus und denkt sich
Warum sind die andren gänzlich
Anders als er wissen kann.
Doch versucht er’s selber dann
Fragt den Lehrer nach dem Sinn
„Warum ich hier vorne bin?“
stutzt dieser, „und du hinten?“
„Das kann ich dir so nicht sagen
Da muss ich erst mal oben fragen.“
Ich passe nicht dazu
Ich passe nicht dazu
Ich passe passe
Passe nicht dazu.
Dienstag schreiben alle Mathe
Aufgeregt steht zur Debatte
Wer von wem denn spicken darf
Manchen raubt dies gar den Schlaf.
Ein Junge sitzt allein noch hinten
Kann nicht in die Debatte finden
Schnee bedeckt den Wüstensand
Normale Schule auf dem Land
Normaler Junge sagt kein Wort
Keiner würd’s merken, wär’ er fort
Er hat gelernt für Dienstag, viel,
ihm erscheint’s dennoch als Spiel
Wenn er sich bückt, die Schuh zu binden
Ist er für den Rest verschwunden
Keiner sucht und wird ihn finden.
Ich passe nicht dazu
Ich passe nicht dazu
Ich passe passe
Passe nicht dazu.
Abschlusszeugnis, ’s ist soweit
Lang haben alle sich gefreut
Auf den heutgen Tage
Für viele war es keine Frage
Zu Bestehen, mit Bravour,
mit 1 durchschnittlich als Zensur,
andere, die mussten kämpfen,
ihre Enttäuschung noch zu dämpfen,
nicht namentlich erwähnt zu sein.
Ein großer Junge läuft herein
Ein kurzer Beifall ist zu hören
Den Jungen scheint es zu empören
Denn er nimmt ne Handvoll Sand
Aus seiner Hosentasche hinten
Und wirft ihn klatschend an die Wand
Ich passe nicht dazu
Ich passe nicht dazu
Ich passe passe
Passe nicht dazu.
2. Jetzt
Am Anfang bin ich wie am Ende
Die Zeit verrinnt beinah’ behände
Unter tosendem Geplärre,
Vorne, hinten, eine Sperre.
Der Weg, am Anfang wie am Ende
Die Zeit, der ich die Hoffnung sende,
an der ich wie am Vater zerre,
beiden werde ich nicht Herre.
Der Raum, in dem ich mich befinde,
aus dem ich langsam bald entschwinde,
Ohne Veränderung, unmerklich,
tret’ ich dennoch zurück, bestärk’ mich,
Legitim nur noch beim Kinde,
Nein dazu, dass ich mich binde,
hat man keinen, hat man sich,
jetzt und später, nur nicht dich.
3. Nachher
Er stand dort oben, ohne Reue
Wusst’ kaum, was er zu fühlen wär’ im Stande
Wie in ihm Feuer, Sehnsucht brannte
Er setzte nochmals an, auf’s Neue
Er ging herunter, ohne Sicht
Wusst’ kaum, was er erfahren hätte können
Wie er’s sich selbst nicht wollte gönnen
Er fühlte sich wichtig, als Wicht
Er legte sich dann, unentschlossen
Wusst’ kaum, wo all das wäre, was nicht war
Und in ihm streckte Müdigkeit sich dar
Er hat’s groteskerweise auch genossen
Ich bin jetzt hier und schau nach hinten
Ich wollte mich nicht ewig binden
Also begann ich mich zu winden
Und würd’ schon noch was Gutes finden
Irgendwann war ich mal frei
Ideale, Pathos, einerlei
Nun denke ich den großen Brei
Was denn von alledem noch sei
Einerseits war ich allein
Doch konnt’ ich ohne Reue sein
So unbedeutend, wie ich war,
dacht ich, wir seien fest ein Paar,
du und ich, und nicht auch diese
verwundert, was das für mich hieße
Und du gingst so, wie du auch kamst
Kurz senkte ich mal meinen Blick
Die Uhr machte nur einen Tick
Da warst du gänzlich fort und nahmst
Mir meine Reue und mein Glück.