Hier drei Gedichte aus und über München, verfasst an und über drei bekannte Orte: Münchner Freiheit, Gärtnerplatz und Oktoberfest
1. Münchner Freiheit
Die Bäume sind hoch und grün gewachsen
sie werfen einen wohlig abgestandnen Schatten
auf den Platz der Freiheit der ein altmodernes
Forum zum Einkaufen geworden ist
Heute im kalten Hochsommer ist alles
ein bisschen lang vorbei vorbei
immer wenn einer stirbt von den alten
geht die Erinnerung los bös verklärend
sie ruft in mir Abscheu und Sehnsucht wach
ich weiß nicht wo all die Künstler hinsind
die meisten spielen wohl Großschach im Schatten
der dichten Kastanien ja hierfür ist München bekannt
die Gefühle die mich umströmen sind
nicht viel mehr denn vorbeugende Nostalgie
immer mal einer mit unpassender Mütze der sich
biertrinkend zu den ähnlichen alten gesellt
mich sehen sie manchmal mitleidig wie einen an
der lang Vergangnes klammernd kopiert
der Rest wird bestimmt in den Literaturhäusern gefördert
junge kreative Leute die eine Meinung haben
und ab und an auch mal über die Strenge schlagen
das ist unter 30 durchaus mal drin
mich sticht derweil eine der letzten Hornissen des Sommers
und ich torkle geschwollen unter die grünen Bäume
2. Gärtnerplatz
es ist drückend heiß geworden und die plätze
die schon noch recht voll sind
leeren sich im schummrigen flirr des abends
vielleicht ist keiner da weil fußball kommt
vielleicht sind schon alle im urlaub, am see
momentan bleibt es nur zu schauen
während das kühle helle mich wärmt und ich schwitze
zum vierten mal heute das tshirt ganz nass
und die frisur sich seitlich unschön anschmiegt
und ich leicht gelangweilt das kinn auf der linken faust
mit der rechten freihändig schreibe nur selten
vom übereinanderklappwechsel von frauenbeinen
aus der nässlichen leichtmut gelockt werde
klingt ein saxophon durch den dusigen wust
die hitze lässt es sich weiter weg anhören
auf kaum anwesendem gemurmel trötet es stetig dahin
fährt selten ein roller um den platz
der sich schöner anhört als sonst
und sein blechernes scheppern nachklingend
in der vereinzelt grünbewipfelten bepflanzung stockt
warum nur muss alles weit weg sein
was schön ist und wenn es da ist
den wegwunsch hervorrufen
melancholie ist das prinzip der welt hat mal
ein emeritierter professor der politik gesagt
er erntete recht gefälliges missverständnis
ich kann da generell nicht so ganz zustimmen
3. letzte runde
tausend simple leidenswege
fahren mit uns in der bahn
tausend schwere einzel
schicksale sind zu zählen
herzzerreißend schön das eine
irrsinnsschlimm das andre
langweilig und schön die
vielen in der mitte
manche steigen hinken aus
andre rennen hüpfen rein
als der schaffner übelstlaunig
authentisch den raumpunkt raunt
schau doch ein paar und
glückliche eltern erst seit kurzem
und liladurchfurchte altmünchner
mit accessoires an vielen stellen die
ihr unfreundliches wesen umwidmen
das muss immer so sein hier
und doch ist es nur so wenn wir
tatsächlich da sind besonders
ich stelle mir die bahn im freien
fall vor und drücke deine hand fest
gleich werden wir sterben und draußen
regnets scherben angestauter dunstungen
des immerseienden alltags auch wenn
keiner da ist zu beobachten
alles in trachten uns nach dem leben
tief gehts
und runter
und nochmal
und munter
und gsuffn
und gprostet
und da ein australier
da ein chinese
da ein handzerfetzter huhnkadaver
auf gehts der nächste
schuss muss sitzen